Ich, Michael Treml, schreibe einen Roman über einen sarkastischen und depressiven Informatiker, der einen Chatbot entwickelt und neue Freude am Leben findet. Aus diesem Anlass suche ich nach Personen, die gerne das aktuelle Manuskript lesen und mir Feedback dazu geben wollen. (Eine Leseprobe findet sich weiter unten.)
Es gibt keine formalen Voraussetzungen zur Teilnahme. Interessenten, die ich nicht persönlich kenne, sind ausdrücklich willkommen, weil Fremde oft ein ehrlicheres Feedback geben als nahestehende Personen, die einen nicht verletzen wollen.
Das Testlesen erfolgt grundsätzlich auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis. Dein persönlicher Benefit besteht vor allem darin, ein schon recht ausgereiftes Buch kostenlos lesen zu können. Sollte ich es mit diesem Buch zu einem klassischen Verlagsvertrag schaffen, ziehe ich auch in Erwägung, allen Testlesern als kleines Dankeschön ein handsigniertes Exemplar zukommen zu lassen.
Bei Interesse bitte ich um eine kurze E-Mail an kontakt@michael-treml.com. Ich werde dann in einer Antwort auf diese E-Mail das Manuskript in drei verschiedenen Formaten übermitteln, damit Du flexibel wählen kannst, wie du es liest: PDF mit Normseiten, PDF im Taschenbuch-Format und EPUB.
Die eigentliche Kritik
Diese kann beliebige positive und negative Eindrücke umfassen, die du hast, eventuell auch ganz konkrete Verbesserungsvorschläge. Das kann sich etwa auf Logikfehler, Unklarheiten, Erzähltempo, Konsistenz oder den sprachlichen Stil beziehen … oder auch auf ganz andere Dinge, die dir auffallen.
Schrecke auf jeden Fall nicht vor ehrlicher Kritik zurück! Ich bin ein selbstkritischer Mensch und sehe selbst noch einige Makel sowohl in diesem Manuskript als auch in meinen grundsätzlichen Fertigkeiten als Autor. Ich will wissen, an welchen dieser Makel ich noch am meisten arbeiten muss und ob es noch weitere gibt, die ich übersehen habe.
Du darfst es mir auch ganz ehrlich sagen, wenn du dich nicht dazu durchringen konntest, das Manuskript zu Ende zu lesen. Ich werde das Schreiben deshalb nicht an den Nagel hängen, aber jedes Feedback, das ich auf dieses Buch bekomme, wird hoffentlich dazu beitragen, dass das nächste besser wird.
Es ist auch kein Problem, wenn du eine Kritik äußerst, die vielleicht nur deine ganz subjektive Meinung darstellt. Weil ich mehrere Testleser suche, werde ich an den Rückmeldungen schon sehen, ob es gewisse Muster gibt oder alle unterschiedliche Vorlieben haben.
Eine kurze Zusammenfassung (1-3 Sätze) der Geschichte in eigenen Worten
Daran möchte ich ablesen, was die wesentlichsten Dinge sind, die im Gedächtnis bleiben, und wie diese von Lesern ausgedrückt werden. Das kann mir in Zukunft sehr bei der Vermarktung helfen.
Ein oder mehrere Hinweise auf vergleichbare Geschichten
Falls dich die Geschichte inhaltlich oder in ihrer Form – insgesamt oder auch nur in Teilaspekten – an irgendetwas Anderes erinnert, kann das für mich auch ein wichtiger Hinweis für die zukünftige Vermarktung sein. Das muss nicht unbedingt ein anderer Roman sein, sondern ggf. auch ein Film, eine Serie, ein Videospiel oder irgendetwas Anderes.
Falls dir gar nichts Vergleichbares einfällt, würde ich mich freuen, wenn du mir zumindest sagen könntest, in welchem Genre du das Buch einordnen würdest.
Idealerweise hätte ich dieses Feedback gerne bis Ende Februar 2025.
Um eine erste Vorstellung davon zu vermitteln, was dich als Testleser erwartet, findest du nachstehend das erste Kapitel.
Das gesamte Manuskript umfasst rund 203 sogenannte Normseiten (inkl. Silbentrennung). Ein kleiner Anhaltspunkt, um sich darunter etwas Konkretes vorstellen zu können: Das nachstehende Kapitel umfasst etwa 15 Normseiten. Das Buch gehört damit eher zu den kürzeren.
»Guten Morgen! Gut geschlafen?«, schreckt mich eine raue Frauenstimme auf. Was? Wo bin ich? Ich dachte, ich hatte es hinter mir, aber langsam werde ich wieder klar im Kopf. Natürlich habe ich es nicht hinter mir. Solange meine Gedanken noch da sind, bin ich noch da. Oder anders ausgedrückt: Verdammt, ich lebe noch!
Ob ich gut geschlafen habe? Da könnte man auch die Passagiere der Titanic fragen, ob sie eine gute Fahrt hatten. Ja, den Schlaf selbst habe ich zugegeben genossen, aber das jetzige Erwachen ist die sprichwörtliche Kollision mit dem Eisberg. Diese dumme Frage! Diese grauenhafte Stimme! Und dieses grelle Licht!
Es erstaunt mich, dass ich überhaupt wieder etwas sehe. Unlängst war ich doch schon einmal munter und konnte meine Augen nicht öffnen. Und auch sonst konnte ich mich keinen Millimeter rühren. Kann ich meine Finger jetzt wieder bewegen? Ja, das funktioniert. Waren meine Lähmungserscheinungen also bloß geträumt?
Davor sah mich am Boden des Stiegenhauses liegen – von außen, so als wäre ich eine Seele, die ihren Körper verlassen hat. Dann wurde ich nach oben fortgezogen und alles drehte sich und wurde schwarz. Ich kann mich nicht erinnern, ob dazwischen irgendetwas war, aber nachdem die eine Erinnerung in der Dunkelheit endet und die andere darin beginnt, war es wohl ein und derselbe Traum.
In jedem Fall weiß ich, dass das ein Trugbild war. Ich hatte den Tod erwartet und deshalb hatte mir mein Unterbewusstsein Klischeebilder gezeigt, wie man sie aus Film und Fernsehen kennt. Noch ein wenig länger und ich hätte wahrscheinlich das Licht am Ende des Tunnels gesehen.
Moment mal! Licht? Davon gibt es hier doch reichlich. Träume ich etwa noch immer?
Nein, das Bild passt nicht ins Klischee. Es ist hier zwar hell, aber jetzt, wo sich meine Augen daran gewöhnen, sehe ich ein normales Krankenzimmer vor mir. Neben mir steht ein Bett auf Rollen, mit Bettzeug in sterilem Weiß, und ich liege auch selbst unter einer weißen Decke. Wahrscheinlich trägt das ganze Weiß dazu bei, dass man regelrecht geblendet wird, wenn man aus der Dunkelheit kommt.
Der Raum sieht real aus. Aber ist das schon ein Beweis dafür, dass ich nicht mehr träume? Kann es so einen Beweis überhaupt geben? Absurde Träume verraten sich ja von selbst als solche, aber wie soll ich reale Träume von der Realität unterscheiden? Meine aufsteigende Seele war ein absurder Unsinn, aber seit es finster wurde, bin ich auch bezüglich meines Wachzustandes ganz im Dunkeln gelassen worden.
»Es ist Montag«, krächzt die Frauenstimme jetzt, »neun Uhr. Dreizehnter August. Und falls Sie ganz orientierungslos sind: 2018.«
Ach ja, diese Komikerin hatte ich schon fast vergessen. Sie treibt sich irgendwo am Ende meines Bettes herum. Dort hatte ich bewusst nicht hingeschaut, aber mit dieser Vogel-Strauß-Taktik werde ich sie offenbar nicht los. Also mal sehen, wen ich da vor mir habe.
Hm … ja, ihre äußere Erscheinung passt jedenfalls zu ihrer Reibeisen-Stimme. Selten habe ich so eine raue, runzelige Gestalt gesehen. Leider geht sie nicht ganz als Mumie durch, sonst hätte ich jetzt meinen Beleg, dass ich noch träume.
Aber letzten Endes könnte ich so einen Traum wahrscheinlich nicht als solchen erkennen, wenn ich ihn gerade vor mir hätte. Schließlich werden diese Bilder von demselben Hirn gesponnen, das ich bräuchte, um sie als Hirngespinst zu entlarven. Meine herumfliegende Seele hatte ich vorerst auch nicht hinterfragt; erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass das nicht real sein konnte. Vielleicht wache ich also in ein paar Minuten auf und weiß plötzlich, dass alles, was ich jetzt gerade noch denke, ebenso ein absoluter Mumpitz war. Aber bis zu so einer nachträglichen Erkenntnis muss ich wohl erst einmal davon ausgehen, dass ich wach bin.
So ein Mist aber auch! Dann muss ich mich jetzt wohl mit dieser Realität herumschlagen und womöglich noch dankbar sein, weil man mir das Leben gerettet hat. Es gibt so viele Leute, die monatelang in ihren Wohnungen vermodern, bevor sie jemand vermisst. Warum ist es mir nicht vergönnt, tot und glücklich statt todunglücklich zu sein? Wer hat sich da in mein Leben und Sterben eingemischt? Irgendjemand muss mich ins Krankenhaus gebracht haben, aber die Alte war es sicher nicht. Wie hätte die mich bei mir zu Hause finden sollen?
Jetzt, wo ich sie genauer mustere, komme ich zu dem Schluss, dass sie gar nicht so alt sein dürfte, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Ihre Haut ist mehr zerfurcht als faltig und erinnert mich an genarbtes Leder – stark strukturiert, aber insgesamt doch straff. Die Frau sieht ausgezehrt aus, aber wahrscheinlich ist sie nicht viel älter als ich.
»Sie sind nicht sehr gesprächig, was?«, sagt sie jetzt.
Was erwartet diese Schreckschraube denn? Sollen Patienten nach dem Aufwachen aus dem Bett springen und eine Ode an die Freude anstimmen? Die kann froh sein, dass ich überhaupt die Augen aufgemacht habe.
»Uuuaaahhh«, stöhne ich. Nicht sehr eloquent, aber das sollte ihr deutlich zu verstehen geben, was ich von einem Plausch halte.
»Na immerhin gähnen können Sie«, schleudert sie mir frech entgegen.
Gähnen? Das war kein Gähnen! Das war ein mürrisches Stöhnen; und es macht mich nur noch mürrischer, dass sie das vollkommen falsch interpretiert.
Wer zum Teufel ist diese Frau? Kann man das an ihren genormten Plastik-Klamotten irgendwie ablesen? Ärztin? Krankenschwester? Putzfrau? Wahrscheinlich laufen hier doch alle in den gleichen Fetzen herum. Wenn sie doch wenigstens ein Stethoskop um den Hals hätte – oder einen Besen in der Hand!
Ich hoffe, es wird nicht von mir erwartet, dass ich die Komiker, die hier herumlaufen, unterscheiden kann. Im Normalfall bringen mich doch keine zehn Pferde in ein Krankenhaus und selbst meinen Hausarzt besuche ich bestenfalls, um mir eine Krankmeldung zu holen. Zu mehr taugen diese Kurpfuscher auch nicht. Bei kleinen Beschwerden verschreiben sie einem Placebos und wenn man ernste Probleme hat, wird man von einem Clown zum nächsten geschickt, bis nach dem Zufallsprinzip mal irgendjemand eine richtige Diagnose stellt.
Aber »Doktor« dürfen sie sich nennen; so ein Etikettenschwindel! Wie viele von diesen Schmalspur-Akademikern haben denn eine richtige, wissenschaftliche Dissertation geschrieben? Oder auch nur ein Paper? Was sich »Medizinstudium« nennt, ist bestenfalls eine Lehre. Für alle, die eine richtige Promotion hinter sich haben, ist es eine Beleidigung, mit solchen Anatomie-Handwerkern in einen Topf geworfen zu werden.
Ob die Runzeltante auch so ein Pseudo-Doktor ist? Nachdem Sie nur blöd redet, statt meinen Blutdruck zu messen oder etwas anderweitig Sinnvolles zu machen, sieht sie mir mehr nach der Sorte Mensch aus, die auf Räucherstäbchen und Zuckerkügelchen schwört. Aber das ist ja auch kein zwingender Widerspruch, schließlich wird dieses Zeug selbst in Apotheken angepriesen und wenn man als Arzt ohnehin schon Placebos verschreibt, kann man seine Patienten auch gleich mit den profitabelsten aller Märchen zum Narren halten.
Na hoffentlich erwartet sie nicht, dass ich sie mit »Frau Doktor« anrede … oder gar mit »Frau Doktorin«! Bei dem Ton, den sie bisher an den Tag legt, wird sie mich ja genausowenig mit meinem akademischen Grad ansprechen.
Argh… dieses Licht! Was macht dieser Quälgeist denn jetzt schon wieder? Hat sie eben die Außenjalousien verstellt? Die Sonne war bisher schon unerträglich, aber jetzt erstrahlt der Raum sogar noch heller. Hätte ich doch bloß die Augen geschlossen gelassen!
»Gähnen und stöhnen«, sagt die Sadistin, die ich im Gegenlicht nur noch als schwarze Silhouette wahrnehme, »na immerhin schon zwei verschiedene Laute.«
Was redet sie da? Habe ich meinen Unmut eben unbewusst kundgetan oder hat diese Frau akustische Halluzinationen? Ich sollte sie gut im Auge behalten; wer weiß, was ihr in ihren Wahnvorstellungen sonst noch einfällt?
Während ich mich an das Licht gewöhne, bewegt sich ihre Silhouette auf mich zu und nimmt allmählich wieder Gestalt an. In ihrem Gesicht kann ich erst die Augen wieder ausmachen, dann auch Mund und Nase. Sie setzt sich neben mich und mittlerweile erscheinen auch wieder all die kleinen Rillen in ihrer Haut. Möglicherweise ist das grelle Licht daran schuld, dass jede winzige Furche wie eine Schlucht aussieht.
»Können Sie auch sprechen?«, fragt die Pseudo-Doktorin.
Ach, ist das erniedrigend! Glaubt sie etwa, sie hat einen Neandertaler vor sich, der nur Stöhn- und Grunzlaute von sich geben kann? Sie bettelt ja regelrecht nach einer zynischen Antwort … aber mir fällt gerade keine ein. Also antworte ich mal mit einem lapidaren »Ja«.
Sie lächelt, sodass ihre Haut zwischen Augen und Ohren ein paar zusätzliche Runzeln bildet. Dass das überhaupt noch möglich ist!
»Wie fühlen Sie sich denn?«, fragt sie weiter.
Ja, wie fühle ich mich denn, wenn mir absolut alles – und insbesondere diese lästige Person – auf die Nerven geht? Ich könnte mich stundenlang beklagen, habe aber keine Lust auf so einen sinnlosen Plausch. In Wahrheit ist das doch ohnehin nur eine rhetorische Frage, oder? Eine Abwandlung von »Hallo, wie geht’s?«. Also gebe ich einfach die klassische Nicht-Antwort: »Gut.«
Offenbar war ihre Frage doch keine rhetorische. »Fühlen Sie sich depressiv?«, fragt sie jetzt ganz direkt.
Ich fürchte Schlimmes. Sie interessiert sich offenbar nicht für einen gesunden Körper, sondern für die Psyche. Das sind die schlimmsten Ärzte von allen. Würde sie irgendetwas um den Hals tragen, wäre das kein Stethoskop, sondern ein Hypnosependel; aber mir wäre lieber, es wäre ein Strick.
Solche Leute lassen nicht zu, dass man Herr über sein eigenes Leben und Sterben ist. Statt eines freien Willens zählen nur die Erwartungen der Gesellschaft. Und die findet das Leben toll; alles Andere gilt als Geisteskrankheit, die bekämpft werden muss.
Wenn ich diese Gesinnungspolizistin loswerden will, sollte ich ihr besser die Antworten geben, die sie erwartet – und das ohne lange Denkpausen, sonst merkt sie noch, dass ich ihr einen Bären aufbinde. Bin ich nun also depressiv? »Nein«, antworte ich.
Sie schweigt. Klinge ich zu unglaubwürdig? Um sicherzugehen, schmücke ich meine Antwort noch etwas aus: »Es gibt zwar vieles, was mich ärgert, aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann freue ich mich auch irgendwie. Ja, es klingt absurd, aber ich freue mich darüber, dass ich mich ärgern kann, weil ich mich einfach darüber freue, dass ich am Leben bin.«
Ach du Schande – was war das für ein Gestammel? Schlecht formuliert, viel zu kitschig und trotzdem noch mit einem negativen Einschlag. Ich bin ein schlechter Lügner. Mal sehen, ob die Seelenklempnerin das trotzdem frisst.
»Schön«, sagt sie, »das klingt ja schon sehr positiv.«
»Schön«, geht auch mir durch den Kopf und ich atme erleichtert auf.
Sie fragt nach: »Was ärgert und was freut Sie denn?«
Verdammt; wusste ich doch, dass ich zu negativ war! Vom Ärger zu reden, hätte ich mir besser verkneifen sollen. Klar könnte ich jetzt im Detail ausführen, was mich alles ärgert, aber diese Schimpftirade wäre bestimmt nicht das, was sie hören will. Insbesondere sollte ich mir jetzt nicht über inkompetente Ärzte oder esoterische Spinnereien den Mund zerreißen, auch wenn mir das gerade auf der Zunge liegt. Stattdessen sollte ich ein Ärgernis finden, zu dem diese Kräuterhexe keinen Bezug hat. Idealerweise etwas, das negativ und positiv zugleich ist, damit ich die Schattenseite gleich wieder ein wenig abschwäche.
So ein Doppelding hatte ich ja eigentlich schon genannt. Es ist das Leben an sich, das mich gleichzeitig ärgert und freut. Aber offenbar übersteigt das ihren geistigen Horizont, sonst würde sie jetzt nicht so dämlich nach Details fragen. Nein, sie braucht stattdessen irgendein banales Alltagsbeispiel, etwa in der Form: »Schinken-Toast ärgert und freut mich zur gleichen Zeit. Ich mag eigentlich keinen Schinken, esse aber trotzdem gerne Schinken-Toast.«
Das Problem ist: So simpel bin ich nicht gestrickt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt über Essen geärgert oder gefreut hatte. Das Leben an sich und spezifische Fressalien sind auch sonst keine guten Beispiele, denn zum Leben hat die Pseudo-Doktorin sicher ihre eigene Meinung und zu bestimmten Mahlzeiten möglicherweise ebenso. Damit ich sie nicht vor den Kopf stoße, sollte ich besser ein Thema wählen, von dem sie nichts versteht.
»Arbeiten«, kommt mir spontan über die Lippen.
Verdammt! Das war missverständlich formuliert. Ich dachte eigentlich nur an meinen eigenen Job, aber zu Arbeit im Allgemeinen hat die Psycho-Tante sicher ihre eigene Meinung.
»Arbeiten?«, fragt sie.
»Ja, arbeiten«, wiederhole ich, »damit verbringe ich schließlich die längste Zeit des Tages. Da gibt es immer wieder ein Auf und ein Ab.«
»Was arbeiten Sie denn?«
Zum ersten Mal in diesem Verhör geht mir die Antwort leicht von den Lippen: »Ich arbeite an der TU München als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich KI – also künstliche Intelligenz.«
»Ah, sehr interessant«, gaukelt sie Interesse vor. In Wahrheit hat diese Quatschtante doch keine Ahnung, was künstliche Intelligenz ist. Es ist zwar jeder Depp davon überzeugt, es zu wissen, aber im Endeffekt stellt sich jeder etwas Anderes darunter vor und jede einzelne dieser Vorstellungen ist falsch. Für Hinz und Kunz ist selbst der primitivste Sortier-Algorithmus eine KI.
Die Pseudo-Doktorin versucht auch gar nicht, den Schein von Interesse aufrecht zu halten, sondern wechselt sofort wieder zu ihrer Agenda: »Und wo gab es da in der letzten Zeit die Höhen und Tiefen?«
Ach, wie gerne würde ich ihr jetzt auf diese blöde Frage eine ebenso blöde Antwort geben! Wo die Höhen und Tiefen waren? Ganz einfach: Die Höhen waren oben, die Tiefen unten. Aber nein, ich muss mich zusammenreißen und mitspielen, damit ich den Fängen dieser Natter entkomme.
Ich erkläre: »Die ganze Disziplin der Informatik beruht darauf, Probleme zu identifizieren und zu lösen. Probleme sind die Tiefen und Lösungen die Höhen. Zwischen diesen muss muss man als Informatiker ständig hin- und herspringen, im Großen wie im Kleinen.«
Die Runzeltante nickt und wirft ein bestätigendes »Mhm« ein. Danach bleibt sie aber stumm. Wahrscheinlich war ihr das wieder zu abstrakt, wie schon zuvor bei den Höhen und Tiefen des Lebens.
Also werde ich konkreter: »Im Großen entsteht ein Projekt oft aus menschlichen Anforderungen. Wenn jemand zum Beispiel etwas im Web suchen möchte, aber den richtigen Suchbegriff nicht kennt, ist das ein Problem. Aber es ist ein Problem, das sich mit künstlicher Intelligenz lösen lässt. Ein gutes System liefert auch bei falschen Suchbegriffen das, was wirklich gemeint war.
Und damit so ein großes Problem gelöst werden kann, unterteilt man es in viele kleine. ›Teile und herrsche‹, nennt sich das. Dann hat man Module, Klassen und Methoden, die jeweils auf ein winziges Teilproblem spezialisiert sind. Das sind dann keine menschlichen Probleme mehr, sondern logische – die lassen sich wie Aufgaben in einem Rätselbuch lösen.«
Die Pseudo-Doktorin lächelt wieder. Diesmal wirkt es aber authentischer als zuvor und strahlt zum ersten Mal auch so etwas wie Sympathie aus. »Ich sehe schon«, sagt sie, »wenn Sie über Ihre Arbeit reden, sind Sie ganz in Ihrem Element«.
Sie hatte wohl wirklich nicht damit gerechnet, dass ich mehr als nur stöhnen und grunzen kann. Aber jetzt, wo ich in Fahrt komme, gewinne ich dieses Gespräch für mich!
»Sie kümmern sich also um das Große wie um das Kleine?«, fragt sie.
»Ich kümmere mich um die Logik. Diese technischen Details sind die wahre Herausforderung. Was die Leute im Großen und Ganzen brauchen, ist schnell geklärt.«
»Wirklich?«, staunt die Therapeutin, »kann man so einfach herausfinden, was Menschen brauchen?«
»Klar«, sage ich, »wer seine Zeit mit menschlichen Problemen verbringt, ist ein Quacksalber.«
Noch bevor ich das letzte Wort zu Ende gesprochen habe, fährt mir ein sprichwörtlicher Blitz durch den Körper. Ach du Scheiße! Jetzt bin ich mit Anlauf in ein Fettnäpfchen gesprungen.
Die Quacksalberin hat noch nicht reagiert. Trotzdem fühlt es sich an, als würde sie mir gerade im wahrsten Wortsinn Feuer unterm Hintern machen. Durch die Sonne, die sie hereingelassen hat, fühlt es sich unter meiner Decke langsam wie in einer Sauna an.
Merkt sie in ihrem Plastikfummel nicht selbst, dass es zu warm ist? Unter solchen Klamotten staut sich doch der Schweiß, oder? Kann sie nicht die Klimaanlage einschalten? Kann sie nicht wieder zum Fenster gehen und wenigstens etwas Frischluft herein lassen? Kann sie nicht irgendetwas Anderes machen als mich mit ihren dummen Fragen zu löchern? Sicher könnte sie das alles, aber sie foltert mich doch ganz bewusst! Sie lächelt nicht aus Verständnis, sondern aus sadistischer Freude über die Tatsache, dass mir die Ohren rot glühen. Diese Inquisitorin will gar nicht, dass ich mich wohl fühle, sonst könnte ich ihr ja Paroli bieten. Indem sie mich im eigenen Saft schmoren lässt, will sie aus mir die unüberlegten, emotionalen Antworten herauspressen, die sie erwartet. War sie damit erfolgreich? Ist das der Grund, warum sie immer noch lächelt?
Es kann doch nicht ihr Ziel gewesen sein, dass ich sie als Quacksalberin beschimpfe. Aber andererseits war diese Beleidigung ja auch nicht meine Absicht. Vielleicht hat sie diesen ungewollten Seitenhieb also gar nicht verstanden – oder sie weiß, dass es nicht so gemeint war.
»Das ist einfach nicht meine Welt«, relativiere ich meine Aussage spontan. Ich wische mir mit der Hand etwas Schweiß von der Stirn und wechsle wieder auf die sachliche Ebene: »Sehen Sie: Wenn jemand in einer Suchmaschine nach einem falschen Begriff sucht, dann muss ich nichts über diesen Menschen wissen, um bessere Suchbegriffe vorschlagen zu können. Das System muss einfach nur große Mengen an bestehenden Daten verarbeiten: Wörterbücher, logische Verbindungen zwischen Begriffen, statistische Erfahrungswerte aus ähnlichen Suchen et cetera. Der Suchende als einzelner Mensch spielt dabei keine Rolle.«
»Ist das so?«, fragt die Pseudo-Doktorin.
Mit erwartungsvollem Blick sieht sie mich an. Eigentlich klang ihr »ist das so« wie eine rhetorische Einleitungsfloskel, bevor sie ihre eigene Meinung kundtut, aber je länger sie mich schweigend anstarrt, desto mehr bezweifle ich, dass da noch irgendetwas folgt. Glaubt sie jetzt etwa, dass ihre papageienhafte Gegenfrage mich zum Umdenken bewegt?
Nach einer längeren Pause setzt sie schließlich doch fort: »Woher wissen Sie denn, dass das, wonach jemand sucht, falsch ist? Vielleicht will man ja wirklich nach dem suchen, was Sie für falsch halten.«
Diese Frau scheint wirklich schwer von Begriff zu sein. Ich habe ihr doch schon gesagt, dass statistische Erfahrungswerte eine Rolle spielen. Ohne ganz konkrete Beispiele versteht sie offenbar gar nichts.
Also gut. Ich erkläre: »Wenn aus Statistiken hervorgeht, dass andere Benutzer nach dem gleichen Begriff gesucht haben, dann aber bevorzugt Ergebnissen gefolgt sind, die ein anderes Wort beinhalten, dann ist es sinnvoller, gleich nach diesem Wort zu suchen.«
Meine Erzfeindin schüttelt den Kopf. »Statistisch gesehen«, sagt sie, »sind Sie eine Frau.«
Was zum Teufel …? Und jetzt lacht sie auch noch. Hat sie ihr letztes bisschen Verstand verloren? Die braucht doch offensichtlich selbst einen Seelenklempner. Langsam kommt mir der Verdacht, dass sie gar nicht hier arbeitet, sondern bloß als Patientin aus der psychiatrischen Abteilung ausgebüxt ist.
»Entschuldigung«, sagt sie jetzt und ihre Stimme wird wieder ernster, »mein Kommentar hat Sie offenbar verwirrt, aber wenn Sie sich mit großen Zahlen und Statistiken beschäftigen, verstehen Sie bestimmt, was ich meine. Eine zufällig ausgewählte Person ist statistisch gesehen eher eine Frau als ein Mann – einfach, weil es bei uns mehr Frauen als Männer gibt. Aber aus solchen Durchschnittswerten kann man doch nicht auf ein Individuum schließen – weder beim Geschlecht, noch bei der Frage, was derjenige oder diejenige im Internet suchen will.«
Okay, mit dieser Erklärung klingt das nicht mehr ganz so meschugge. Aber korrekt ist es trotzdem nicht. »Sie müssen schon die passende Datenbasis hernehmen«, entgegne ich, »wenn ich eine Aussage über einen Suchenden machen will, vergleiche ihn ja nicht mit der gesamten Weltbevölkerung, sondern nur mit den wenigen Leuten, die nach dem gleichen Begriff gesucht haben.«
Meine Widersacherin bleibt hartnäckig: »Und wenn eine Person anders ist als alle anderen? Was, wenn sie wirklich genau das suchen will, was sie eingetippt hat? Jeder Mensch ist einzigartig.«
»Irrelevant«, entgegne ich sofort, »niemand programmiert so eine Software für eine einzelne Person. Das wäre ja hirnrissig. Solche statistischen Ausreißer haben Pech gehabt.«
Die Pseudo-Doktorin lächelt wieder verständnisvoll – aber ich verstehe nicht, warum. Was gibt es für einen Grund zur Freude, wenn ich ihr komplett widerspreche? Ich kann mir wohl kaum erwarten, dass sie jetzt sagt: »Ach ja, Sie haben vollkommen recht und ich bin komplett falsch gelegen.« Geht vielleicht die Fantasie mit mir durch? Interpretiere ich in ihre Mimik Bedeutungen hinein, die gar nicht vorhanden sind?
»Soso«, sagt sie und das klingt zumindest schon deutlich weniger verständnisvoll, »Ausreißer haben also Pech gehabt. Aber sind wir nicht alle manchmal Ausreißer? Heute schwimmt Lieschen Müller gegen den Strom, morgen bin ich es und übermorgen Sie.«
Ich murre: »Es läuft halt nicht immer alles nach den eigenen Vorstellungen. Manchmal muss man sich an die gegebenen Umstände anpassen.«
»Ganz genau«, stimmt sie mir zum ersten Mal klar zu. Oder … ist es umgekehrt? Sie bestätigt mich doch nur, weil ich nachgegeben habe, oder?
»Wir müssen aufeinander Rücksicht nehmen«, sagt sie, »manchmal bedeutet das, auch diejenigen zu respektieren, die gegen den Strom schwimmen. In anderen Fällen kann es aber ganz im Gegenteil auch bedeuten, sich an Vorschriften und Normen halten zu müssen.«
»Vorschriften und Normen sind menschlicher Mumpitz«, schimpfe ich.
Die Pseudo-Doktorin lächelt verständnisvoll wie eh und je, während mir bewusst wird, dass ich mich gerade in einen Widerspruch verstricke. Sie hat mich jetzt genau da, wo sie mich haben wollte, oder? Der Strick, den ich ihr um den Hals wünsche, hat sich in sprichwörtlicher Form längst um meinen eigenen gelegt und zieht sich immer enger zu.
Aus meinem Plan, mich nicht zu negativ zu äußern, ist nicht viel geworden. Ich schimpfe über Normen genauso wie über Menschen, die außerhalb der Norm liegen. Was bleibt jetzt noch übrig?
Die Schrumpelhexe hat mich ganz gezielt in diese Sackgasse getrieben. Sie kann regelrecht meine Gedanken lesen, weil sie diejenige ist, die sie mir eingepflanzt hat. Ich hätte da von Anfang an nicht mitspielen sollen.
»Menschliches Zusammenleben ist nicht einfach«, gibt sie zu, »aber es hat auch seine schönen Seiten. Sie haben doch sicher Menschen, die Ihnen viel bedeuten?«
Das ist ein guter Zeitpunkt, um einen Schlussstrich zu ziehen. Mich wird sie nicht mehr manipulieren. Meine Lippen sind versiegelt. Mal sehen, ob sie auch jetzt noch meine Gedanken lesen kann!
Sie setzt fort: »Es muss doch irgendjemanden geben, der sich Sorgen um Sie macht? Irgendjemand, den wir verständigen können, dass Sie hier sind?«
Verdammt nochmal! Mein Schweigen kommt zu spät. Wenn ich jetzt nichts sage, ist das trotzdem eine ziemlich klare Antwort. Hätte ich doch bloß von Anfang an den Mund gehalten!
Huch, was ist das? Die Pseudo-Doktorin hat ihre Hand auf meine Schulter gelegt. »Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen«, sagt sie mit ihrem immergleichen Lächeln, »ich denke, ich habe Sie verstanden.«
Hast du jetzt Lust, auch den Rest zu lesen? Oder willst Du schon zu diesem Ausschnitt Kritik geben? Dann schreibe mir an kontakt@michael-treml.com! Ich freue mich über deine E-Mail.